Presse – 1993

Der neue Vorstand


Musicanten, eine Zierde des Festes

von Peter Weisrock zum 25 jährigen Jubiläum

Erst mit Beginn des 18. Jahrhunderts läßt sich in Nieder-Olm das Auftreten von Musikanten schriftlich belegen. Da es bis zum 16. Jahrhundert keine selbstständige Instrumentalmusik gab, dürfen wir unterstellen, daß der Gebrauch von Einzelinstrumenten bereits wesentlich früher in dem kleinen kurmainzischen Städtchen üblich war. Ihre Anwendung erfolgte möglicherweise im sehr bescheidenen Rahmen zum Kirchweihfeste, wenn offene dänz von denen jungen leuthen veranstaldtet werdten, wie Schultheiß Johann Schreiber 1776 bemerkt. Aber die Musicanten beteiligten sich nicht nur an der Gestaltung weltlicher Vergnügen. So ist uns seit dem Jahr 1708 bekannt, daß die Musicanten, so uff Kirchweyhung bey der Proceßion umb den Ort das hochwürdige Guth ( Monstranz ) mit ihren Pfiedelen (Fiedeln) begleitet haben.

Bald erfahren wir auch den ersten Musikantennamen : 1779 heiratet Theobald Ambach, Musikant aus Gau-Algesheim, nach Nieder-Olm, dessen Nachfahren noch bis in unsere Zeit der musikalischen Ambition ihres Familiengründers treu blieben. Auch an der Revolutionsbewegung Nieder-Olmer Jakobiner, am Anfang des Jahres 1793, beteiligten sich die die Dorfmusikanten, als alle ehemaligen herrschaftlichen Wappen im Schloß, als auch an den Häusern demoliert, wobey die Music unter beständigem <Vivat la Nation> sich hören liesse. In der nachfolgenden napoleonischen Epoche bezeichnete Maire (Bürgermeister) Franz Jacob Leiden anläßlich der Kirchweih von 1803, die Musicanten als eine Zierde des Festes. Unter weniger erfreulichen Umständen lernen wir ein Jahr später weitere Musikantennamen kennen. Um ihren Kollegen Jakob Sieben vor dem meist sicheren Tod auf den Schlachtfeldern zu retten, attestierten die Musicanten Valentin Ambach und Anton Seibert ihm vor dem gefürchteten Musterungsausschuß eynen Gehörfehler und Bewußtseynsstörungen, die besonders dann auftredten, wenn wir an Kirchwey aufspielen.

Bei der ersten uns bekannten größeren Kapelle handelt es sich um die 1865 gegründete Musikkapelle Eifinger-Schmitt, die bis Ende der 1870er Jahre bestand. Nach der 1871 erfolgten Proklamierung des zweiten Deutschen Reiches durch Bismarck erfreute sich die Militärmusik auf den Rekrutenbällen und Veranstaltungen des Veteranenvereins zunehmender Beliebtheit. Wie in vielen anderen benachbarten Gemeinden etablierten sich auch in Nieder-Olm im verstärkten Maße Musikkapellen, zumeist nach dem Vorbild der auch im Landkreis bekannten Militärkapelle der 23er Dragoner in Mainz. Anton Ambach baute 1880 eine kleine Musikantengruppe auf, die bis in die 1920er Jahre zu hören war. Der Schriftsteller Wilhelm Holzamer hat ihn unter dem Pseudonym Anderbach, der in der Brauerei (Gasthaus zur Krone) zur Kirchweih aufspielte, in seinem Roman Vor Jahr und Tag verewigt. Bis zur Jahrhundertwende zeigte die Musikkapelle Schmitt-Seibert ihr Können. Wie die Musikkapelle Michael Eifinger bestand sie bis in die 1930er Jahre. Den musikalischen Rahmen großer kirchlicher und weltlicher Festtage gestaltete man oft in kooperativer Gemeinsamkeit.

Noch während der Amtszeit von Pfarrer Bernhard Wahlig (1914-1925) konstituierte sich im katholischen Jugend- und Jungmännerverein um 1920 eine Blaskapelle, die vornehmlich der musikalischen Umrahmung kirchlicher Veranstaltungen diente. Sie stand unter der Leitung des am Mainzer Stadttheater tätigen Kammermusikers Georg Mayer aus Nieder-Olm. Ihm nachfolgende Dirigenten waren, bis zur Gleichschaltung in der nationalsozialistischen Zeit, Emanuel Frühmann und Otto Pütz.

Durch die Wirren des 2. Weltkrieges und fehlenden Nachwuchs mußte man um den Fortbestand der alten Tradition bangen Dieses Problem wurde durch eine Neugründung im Jahre 1968 unter Pfarrer Nicolay und dem Dirigenten Karl Mombächer beseitigt.

Erschallet, Posaunen !

von Rosemarie John-Hain zum 25 jährigen Jubiläum 1993

Fünfundzwanzich Johr is er alt, de Bläserchor. Mehr soll’s net glaawe – schun so alt un noch so jung ! Guckt’s eich doch oo, des Geburtsdagskind: Lauter junge Leit ! Nachwuchssorje hot’s do offenbar nie gewwe. Un selbst die, wo vun Oofang oo debeib warn, sin immer noch im beschte Alter, denn des warn jo gant junge Spunde domols, wie se oogefange hawwe, grad emol so heiratsfähig. Un eren erschte Ufftritt war dann aach e Ständche beim Polterowend von eme Gründungsmitglied – un des gleich noch emol im erschte Johr.

Awwer bis se so weit warn ! Liewer Gott ! Die hatte jo werklich koo Ahnung von Tuute un Bloose ! Interesse war so ziemlich es oonzische, was se hatte. Un e Zusag vum Parre, daß er en oostännische Batze fer Instrumente lockermache det. Weil awwer de Erich un de Schorsch so mächtig die Werbetrummel fer die Gründung vun erer nei, jung Kerchemussick geriehrt hatte, hot em Herr Parre soi Geld bei weitem net gelangt. Er hatt beides unnerschätzt: Die Preise vun de Instrumente un es Interesse vun de junge Leit an de Mussick. Hätt mehr jetzt die Hälft von dene, wo mitmache wollte, vor de Kopp stoße un widder hoomschicke solle ” Vleicht hätt mehr do grad die größte Talente ausgeschlosse. – Also, wann do net em Alfred die Idee kumme wär, emol beim evangelische Parre zu frooe, was dann aus dene Instrumente vum frühere evangelische Posaunechor worn wär, un wann die evangelisch Parrei dodruffhie net so großzügig des ganze alte Zeisch zur Verfügung gestellt hätt, do wär de Bläserchor heit mit Sicherheit net des, was er is: En Klangkörper , wo sich sehn un vor allem hörn losse kann. Der spielt doch heit grad alles – vun Klassisch bis Pop – vun Choräl bis Narhallamarsch. Die schrecke vor nix zurück. Awwer domols, im Mai 68, wie es erschtemol jeder so e Ding in de Hand un an de Lipp hatt un verzweifelt prowiert hot, do en Ton erauszubringe, do hätt sich des werklisch kooner vorstelle könne.

Ja, so hot’s oogefange. Bei Null. Un doch isses jo net so gewäse, daß es dodevor in Nerollem iwwerhaupt koo Mussick gewwe hätt ! Nadierlich hot’s die gewwe ! Bloß war des halt irschentwie e anner Mussick gewäse. Des warn meh so Naturtalente, wo weniger no Note wie no Gefühl gespielt hawwe. Awwer vielseitig warn se, des muß mehr ooerkenne. An Kerb, wammir ins Bierbrauersch Saal um de Springbrunne erumgedanzt sin, do hot de Salli gegeit, un bei Beerdigunge un an Fronleichnam, do hot er Horn gebloose.

Fronleichnam ! Die Prozession ! Des war die alt Kerchemussick eren große Dag. Des war e feierlich Ooogeleeschenheit. Langsam un würdig is die Mussick im Gleichschritt marschiert – noo, geschritte ! Un in dem langsamme, gemessene Takt hot se gebloose :
Dei-nem-Hei-land-dei-nem-Leh-rer— un Kommt-und-lo-bet-ih-ne-E-hend— Fer die Leit, die wo jo net den Gleichschritt hawwe oihalle könne un ohne Takt un Tritt hinnerher getrottelt odder gedribbelt sind, war des immer e bißje zu langsam, un die warn dann mit ereme Text schu immer e bißje voraus un hun schun un – tet – die – sehr Hut gesunge, wann die Mussick noch bei geht – ver – lo – ren war. Die Stroph hot mir als Kind schon immer Schwierigkeite gemacht. Der Satz hot doch moi Sprachgefühl gestört; ich hab den als falsch emfunne. Des hätt doch “unter diesem Hut” haasche müsse ! Un unner diesem Hut hab ich mehr immer so en Zylinder vorgestellt, wie se die Mussick uffhatt, bloß riesengroß, wo all die Seele, die wo net verlorngehe, drunnerhocke un unnerm Rand erauslinse.

De Bläserchor braucht net nemmeh im Trauerschritt mit de Prozession zu geh; der kann im Sitze spiele un krieht de Takt vun soim Dirigent oogewwe. Un aach dann, wann annern de Takt oogewwe wolle, wie am Kerwemondag im Pfarrhof, dann stört en des iwwerhaupt net – er spielt trotzdem richtig. – De Bläserchor hor aach koo Zylinder meh. Der hor die alte Hüt abgeschafft. Alle – bis uff oon; Es Ständche am 1. Mai. Awwer des is en wunnerscheene alte Hut mit Bändcher un Schlöppcher. Un wann die Mussick do in aller Herrgottsfrüh es ganze Ort wachmacht un ich mit “wunderschön Prächtige” geweckt wer, was moohnt ehr, wie ich mich do geschmeichelt fühl un mit was fer eme Elan ich do uffstei ! Als ob ich fünfundzwanzisch wär !

Un ich denk dann immer: Hoffentlich kimmt net emol ooner uff die Idee, den alte Hut fortzuschmeiße—-